GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

mobile_menu

GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

Elisabeth Büttner / Christian Dewald

Gustav Deutsch über die Fort / Bewegung und ihre vielfältige Praxis.

E.B. Du hast die Präsentation deiner Filme in drei Blöcke gegliedert. Wie sind diese Gruppierungen entstanden, bzw. welche Vorgaben leiten eine solche Ordnung der Filme?

G.D. Prinzipiell versuche ich zu den Phänomenen des Films durch die Arbeit Stellung zu nehmen. Ich versuche herauszufinden, was Film für mich ist. Seit ich das erste Mal eine Kamera in der Hand gehalten habe‚ frage ich mich was ich da tue, was dabei zwischen mir und den Menschen, die ich filme, entsteht. Was wird ausgelöst, was sind die Reaktionen sowohl von der Seite des Aktiven als auch von der Seite des Passiven. Welche Wirkungen löst der Film bei der Präsentation‚ beim Zuschauer aus. Ich habe auch hauptsächlich durch die Beschäftigung mit Film, mit Video oder mit Foto schauen gelernt. Die Arbeit mit diesen Medien hat mir geholfen gewisse Dinge anders oder intensiver zu beobachten. Ich beobachte sehr gerne. Beobachtung ist für mich eine Möglichkeit meine Umwelt geschärft wahrzunehmen und dadurch auch anders auf sie zu reagieren oder mit ihr zu kommunizieren.

E.B. Und jetzt konkret zu den drei Paketen.

G.D. Die traditionellen Kategorien des Films waren für mich der Ausgangspunkt. Das erste Paket betrifft den Spielfilm, der zweite Teil den Dokumentarfilm und der dritte Teil etwas, was ich Bewegungs- oder Fortbewegungsaufzeichnungen genannt habe. Dieser Teil interessiert mich fast am stärksten. Die Grundüberlegung lautet‚ wodurch entsteht Bewegung im Film und was löst diese beim Betrachter aus. Dies gilt für Filme aller Kategorien, auch für Spielfilm. Am meisten bin ich daran interessiert, was die Bewegung im Film erzeugt.

E.B. Meinst du die Bewegung der Kamera selbst oder die Bewegung vor der Kamera?

G.D. Beides, alles, alles. Ich möchte nun auf den dritten Teil intensiver eingehen. Die Bewegung betreffend gibt es von der Abstufung her die Möglichkeit ‚ daß sich vor einer starren Kamera Objekte bewegen. Die Position, die der Filmemacher dabei einnimmt ist die eines Nichtbeteiligten im Geschehen, eines in der Bewegung nicht beteiligten Voyeurs oder Beobachters. Das ist eine Haltung, die für mich, bezogen auf den Charakter des Filmers, eine starke Aussage beinhaltet. Etwas ganz ruhig und starr zu beobachten, bedeutet etwas anderes als Dinge mit der Kamera zu verfolgen. Dieser Umgang mit der Kamera bezeichnet für mich das Meditative, das Ruhige oder das Distanziertere. Im Idealfall heißt das, daß ich gar nicht als Regisseur oder Kameramann eingreife, sondern die Kamera positioniere und sie nimmt auf.

E.B. Wie schaffst du diese Situationen, in denen du dann die Kamera positionierst. Du mußt ja eine Auswahl treffen können in Bezug auf deine Wahrnehmungssituation. Was beeinflußt die Entscheidung in bestimmten Konstellationen zu Filmen?

G.D. Ich glaube, das ist ein Spannungsverhältnis, das mich interessiert. Kategorien, die vom traditionellen Kameramann her gesehen sehr wichtig wären, wie Diskussionen über Ausschnitte oder ähnliches, spielen bei mir keine Rolle. Ich erkenne eine Situation in der ich mich befinde und wähle sie für mich aus. So bin ich zum Beispiel bei einem Film verfahren, den ich jetzt in Marokko gedreht habe, wo es überhaupt sehr schwer ist mit der Kamera zu agieren. Viele Filme, auch in diesem Programm sind allerdings entstanden, ohne daß ich durch die Kamera geschaut habe.

E.B. Du hast das Stativ hingestellt...

G.D. Ja, oder aus der Hand, im Gehen.

E.B. Manche deiner Filmtitel verweisen auf diese Praxis.

G.D. Ja, das sind die Titel, die wieder die Bewegungsaufzeichnung betreffen. Noch einmal chronologisch: die erste Möglichkeit Dinge in Bewegung zu beobachten und sie festzuhalten ist die starre Kamera. Die zweite wäre am Standort die Kamera zu drehen oder zu schi schwenken. Da gibt‘s jet zt wieder verschiedene Möglichkeiten entweder die Kammera schwenkt und bewegt sich motivlos, einfach suchend. Oder als weiteres Beispiel der Verfolgungsschwenk: im Sinne eines Jägers fixiere ich das Objekt und verfolge es mit der Kamera, zu welchem Zweck auch immer. Um es zu beobachten, zu beschreiben oder zu treffen.

E.B. Das klingt nach sehr homogenen Filmräumen. Wie führst du Schnitte ein und wechseIst den Raum?

G.D. Darauf bezieht sich die dritte Möglichkeit. Ich bewege mich mit der Kamera. Entweder bewege ich die Kamera als Filmer, d.h. die Kamera ist ein Gerät zur Aufzeichnung meiner eigenen Bewegungen und beschreibt damit auch den Weg, den ich in der Gegend nehme. Diese Möglichkeiten werden immer wieder benutzt, um Spannung zu erzeugen. Auch für mich wird der Dokumentar- oder der Spielfilm immer dann am aufregendsten, wenn die Kamera die Position der Augen desjenigen einnimmt, der ins Geschehen tritt. Als Zuseher verliere ich die Rolle des distanzierten Betrachters und werde selbst entweder zum Opfer oder zum Täter, im Kriminalfilmjargon gesprochen.

Wenn ich mich nicht selbst mit der Kamera bewege, wenn sie nicht ein Gerät für Aufzeichnungen meiner eigenen Bewegungen ist, dann kann ich Gegenstände benutzen, die sich bewegen, Fahrzeuge wie Auto, Flugzeug, Schiff...Ich bin generell nie sehr an der Konstruktion für den Film interessiert, sondern daran die Dinge zu benutzen. Was mich noch interessieren würde, ist Fahrzeuge zu benutzen, die ich nicht besteigen kann. Ich denke da beispielsweise an eine computergesteuerte Containertransportanlage in einem neu errichteten Krankenhaus oder an ein Gepäck förderband auf eineim Flughafen. Ich würde die Kamera einen Tag lang auf so einem Fahrzeug montieren, das an Orte fährt, wo ich selbst nicht hin kann.

E.B. Man kann sagen, generell interessiert dich die Kamera als Forschungs- und Erkenntnisinstrument.

G.D. Genauer der Film an sich. Der Film ist für mich die Möglichkeit Dinge zu erforschen, oder besser verstehen zu lernen. Wobei der Unterhaltungswert nicht zu kurz kommen soll. Filmen ist für mich keine wissenschaftliche Angelegenheit, sondern Forschung oder wissenschaftliche Methoden sind für mich immer dann interessant, wenn sie sich dem Ziel selbst entziehen.

E.B. Der Alltag muß vorhanden sein.

G.D. Der Alltag oder die Absurdität. Oder auch Dinge zu berücksichtigen, die ein Wissenschaftler nicht unbedingt berücksichtigen würde.

E.B. Zumal deine Person als Maßgabe immer im Zentrum steht. Nun zu den beiden anderen Blöcken.

G.D. Der zweite ist der Dokumentarfilmblock. Der Begriff Dokumentarfilm ist nicht im strengen Sinn zu nehmen, sondern unter dem Aspekt ‘Film als Dokument‘. Ich zeichne jetzt nicht im Sinne des Forscherischen Bewegungen auf, sondern z.B. über einen gewissen Zeitraum hinaus eine Person. Solche Filme entstehen oft im Laufe der Jahre, deswegen auch die Bezeichnung work in progress. Diese Filme sind nie abgeschlossen, sondern stellen Teile von einer möglichen spätere im Gesamtheit dar. Momentan sind sie eine Art Atelierschau. Sie zeigen einen Ausschnitt meines Interesses am Filmen.

Seine intensivste und mir wichtigste Form findet der Dokumentarfilm in den Personenporträts. Dabei stellt sich vor allem die Frage, was der Film in der Beziehung zwischen dem Gefilmten und dem Filmenden auslöst.

E.B. Zum Personenporträt als intimste Gattung des Dokumentarfilms hast du folgendes formuliert: das Personenportrait „setzt das Vertrauen zwischen Filmer und Gefilmten sowie beiderseitiges Wissen um die Notwendigkeit der Stellvertreterrolle des Porträtierten voraus". Wie soll dieser Satz, besonders die Passage über die Notwendigkeit, verstanden werden?

G.D. Wenn ich von jemandem ein Porträt mache und diese Person an sich nicht für eine Gruppe von Menschen steht, ist es eine sehr persönliche Angelegenheit. Wäre der Porträtierte eine Persönlichkeit im öffentIichen Interesse‚ dann würde das für mich nicht so sehr ein Problem bedeuten. Die Person wäre durch ihren Beruf gewohnt, sich dieser Situation zu stellen. Aber Jemanden, einen Bekannten oder einen Nichtbekannten, einen nicht in der Offentlichkeit stehenden Menschen zu porträtieren bedeutet für mich, daß er stellvertretend für andere Menschen steht. D.h. nicht er persönlich ist in dem Sinne so interessant, sondern das, was er vertritt, in seiner Haltung, in seinem Leben. Das Charisma, die Ausstrahlung, die Umgebung oder sein Beruf. Und das ist mir deswegen so wichtig, weil beispielsweise in der Konfrontation mit einer von mir porträtierten Frau diese Frage aufgetaucht ist: wer hat Zugriff zu mir, zum Mich in dem Film. Teile dieses Porträtmaterials auf Video sind eine Zeit lang im Studio gestanden und die Vorstellung war für diese Frau so unangenehm, daß da jemand in ein Kastl greifen, sie jederzeit herausnehmen und sich anschauen kann, daß sie mich gebeten hat, dieses Material wieder zu entfernen. Diese Reaktion verstehe ich sehr gut, weil der Film auch diese Möglichkeit des Zugriffs auf die private Person beinhaltet.

Ich empfinde es fast als Zumutung jemanden X-beliebigen herauszugreifen und schicksalhaft zu zeigen. Das regt Emotionen an und ist eine gängige Methode bei filmischen Dokumentationen. Erst Einzelschicksale verstehen zu rühren. Die Gefühlsebene wird einfach ausgenutzt, um Dinge zu erreichen. Die Schutzlosigkeit des Porträtierten bedeutet mir sehr viel, also das Recht der Schutzlosmgkeit nicht ausgesetzt zu sein. Der Gefilmte oder Porträtierte muß sich bewußt sein, daß er nicht selbst persönlich so betroffen ist, sondern daß er für etwas steht. Wenn er das weiß, dann kann er anders agieren.

Innerhalb des Dokumentarfilmblocks gibt es noch eine Kategorie, die ganz im Gegensatz zu diesen beziehungsvollen Geschichten des Personenporträts steht. Ich habe sie unter International Junctions zusammengefaßt. Das sind Filme von Kreuzungen aus einer Überwachungskameraposition, die ich seit zehn Jahren sammle. Diese von Überwachungskameras aufgenommenen Filme sind das objektivste Dokument, das von unserer Zeit entsteht. Sie werden als der Dokumentarfilm unserer Tage übrigbleiben. Diese Filme bekommt nie jemand zu Gesicht, außer es passiert etwas. Gerade diese Eigenart hat mich immer so fasziniert, daß sie Tag für Tag aufnehmen und nur, wenn etwas nicht der Regel Entsprechendes passiert, wird es angeschaut. Bei mir ist es genau umgekehrt, denn mich interessiert dabei genau das was der Norm entspricht. Aufnahmen wo man meinen könnte, gleich passiert etwas, aber es passiert nichts. Es ist eigentlich nur der Alltag. Und deswegen ist es für mich die objektivste Kamera.

E.B Aber es wird nie geschnitten.

G.D. Es wird nie geschnitten. Bis auf einen Film ist es ungeschnittenes Material, das ich da zeige.

E.B. Gehen wir zu den Spielfilmen.

G.D. Bei den Spielfilmen bewegt mich wirklich, daß ich im Kino so starke Emotionen empfinden kann, gerade bei Filmen die weder intellektuell noch inhaltlich zu vertreten sind. Sie lösen einfach durch ihre Situation in mir Erinnerungen oder Erlebtes aus der Vergangenheit aus, so daß ich vergesse, was ich weiß. Das leistet der Spielfilm für mich. Er ist dann wirklich gut, wenn ich vergesse, wie er gemacht ist und ich wirklich emotionell reagieren kann.

E.B. Wie nimmst du mit deinen Filmen auf dieses Phänomen Bezug?

G.D. Der erste der fünf Filme, die ich hierbei ausgewählt habe, Die Dame / Das Dromedar / Der Araber, ist eine Endlosschleife aus einem Fundstück. Eine Spielfilmszene, die für die Kamera in den 5Oer Jahren von Laien inszeniert wurde. Die Leute wurden das erste Mal gezwungen aus ihrer starren Haltung heraus für den Fotoapparat, für die Kamera Aktionen zu setzen. In diesen Reaktionen auf die Kamera, in diesen gespielten Laienszenen liegt für mich fast das künstlerisch Wertvollste dieser Filme. Es sind Aktionsfilme von Laien, von Betroffenen, die so etwas mitgemacht haben.

Auch der zweite Film, den ich zeige, Samstag, 29.Juni Arctic Circle, ist ein Fundstück aus einem eineinhalbstündigen Amateurfilm. Leute haben sich für einen Super 8 Film ganz dezidiert ein Konzept im Sinne einer Nummernrevue überlegt. Auf einer Fahrt von Wien zum Nordkap und zurück haben sie einen großen Kalender mitgehabt. Vor ihren Filmaufnahmen halten sie immer das jeweilige Kalenderblatt in die Kamera. Genau wie beim Drehen eines professionellen Films die Szene angekündigt wird, oder wie man es von einer Nummernrevue oder vom Zirkus her kennt. Ich habe diese Szenen mit den Markierungen, auf die auch immer eine kleine Spielfilmhandlung folgt, herausgeschnitten und zusammengehängt.

Bei den anderen drei Filmen kommt der Ton ins Spiel, der in punkto Emotion wesentlich ist. Reduzierte Versuche mit Ton und Bild. Der erste Film, Prince Albert fährt vorbei, betrifft eine Szene des Reisefilms und beobachtet einfach: Das Schiff Prince Albert fährt von links nach rechts durchs Bild und dazu gibt‘s eine Musik, die - ganz im Sinne des Reisefilms - etwas wie Sehnsucht erzeugt. Der zweite Film, Non, je ne regrette rien, ist ein Spiel mit einer sehr bekannten Melodie, von der ich nicht weiß, ob sie tatsächlich in einem Film vorkommt. Dazu setzte ich Ausschnitte von selbst gefilmtem Material aus Paris.

E.B. Du zerlegst hier wieder die einzelnen Elemente, die deiner Meinung nach bei filmischer Inszenierung Emotionen hervorrufen können und untersuchst sie detailliert im Einzelnen.

G.D . Ja. Ich möchte wissen‚ was Spannung erzeugt. Das interessiert mich dann eine Minute lang. Ich versuche eine Minute lang die Rührung zu erreichen, die im Spielfilm sonst vorkommt.

E.B. Aber Spannung und Emotion entspricht sich nicht immer.

G.D. Was erzeugt Emotion, sollte es heißen. Spannung geht den letzten Film, Kristallnacht / Maingas, an. Ein Film, der die Position des Täters oder des Opfers einnimmt. Ein sehr schneller Gang durch eine sehr finstere Wohnung. Man weiß nicht, wo man hinkommt. Am Ende steht dann das Thema dieser Szene, ein Fernsehapparat.

E.B. Bei deiner künstlerischen Arbeit setzt du verschiedene Medien ein. Welchen Unterschied macht es für dich, mit Video oder mit Film zu arbeiten?

G .D. Für mich hat jedes Medium seinen Einsatzbereich. Es ist wie mit einem Werkzeug. Ich suche mir ein bestimmtes Thema oder einen Arbeitsbereich und versuche mir als Künstler ein adäquates Werkzeug zu nehmen. Wenn ich mit Ton arbeite ist das Mikrophon ein Gerät, arbeite ich mit Film ist die Kamera ein Gerät oder eben Video und Film, je nachdem was ich mache.

E B. Du motivierst den Einsatz des jeweiligen Mediums thematisch und gehst nicht primär von den Vorgaben, die die einzelnen Medien selbst bieten, aus.

G.D. hinzu kommt, daß ich die Arbeitsgeräte immer zur Hand habe. Das ist bei Video oft nicht der Fall. Wenn ich Video schneiden will, brauche ich eine Maschinerie rund herum, ein Studio, und das ist teuer. Die Super 8 Kamera habe ich in mehreren Ausführungen zur Hand und kann sie dementsprechend auch leichter benutzen. Ich betrachte mich in dem Sinn nicht als Filmemacher, sondern als Künstler, der je nach Vorgaben Medien benutzt.

E.B: Du schaltest oft ein Gerät zwischen dich und die Wirklichkeit.

G.D. Nicht immer. Es gibt auch Aktionen, wo ich live auftrete oder ich versuche -

was mir wichtig ist - mit verschiedenen Medien präsent zu sein, nicht nur mit einem, sondern wenigstens mit zwei. Beim filmbrunch beispielsweise mache ich jetzt selbst die Musik.

E.B. Du hast oft mit Kollegen zusammengearbeitet. Was bedeutet Kooperation für dich? Wie kam es zu diesen Arbeitsverhaltnissen?

G.D. Seit mehr als 10 Jahren bin ich Mitglied der Künstlergruppe Der Blaue Kompressor. Eine Gruppe bietet dem Künstler die Möglichkeit seine eigene Arbeit zu schärfen, indem er sie Leuten, denen er Vertrauen schenkt ‚ zeigt und sich der Kritik stellt. Die Zusammenarbeit ist die Idealform der Künstlergruppe. Damit meine ich nicht nur, sich gegenseitig zu einem Werk einzuladen um zu einem Thema verschiedene Arbeiten abzugehen. Dies wäre ein Aspekt, denn es ist in der Gruppe leichter Ausstellungen oder Projekte zu organisieren und auch finanziert zu bekommen. Die gemeinsame Arbeit an einem Werk bleibt aber zentral.

E.B. Du reist gerne und agierst unterwegs mit der Kamera. Welchen Status hat das Reisen an sich? Wie hängt das Filmen oder das künstlerische Arbeiten mit dem Reisen zusammen?

G.D. Ich arbeite mit meiner Freundin und künstlerischen Partnerin Hanna Schimek seit 1986 an einem Langzeitprojekt mit dem Titel Die Kunst der Reise. Ausgangspunkt waren Arbeiten, die wir in der Fremde gemacht haben. D.h. nicht in unserer Heimat, jenem Kreis, den wir noch als unseren kulturellen background bezeichnen, der uns abgesicherte Möglichkeiten bietet. Seit 1986 hat sich für uns das Thema Reise, das für uns Konfrontation, Auseinandersetzung mit dem Unbekannten bedeutet, auf Grund der veränderten politischen Situationen stark verändert. Es ist für uns zu einem Hauptthema geworden.

Wir leben in einer Zeit, in der wie noch nie zuvor Menschen dieser Erde sich begegnen. Sei es jetzt als Touristen, als Politische Flüchtlinge oder als Wirtschaftsflüchtlinge. Wir sind damit in einer Größenordnung mit fremden Kulturen konfrontiert wie es in der Menschheitsgcschichte noch nie der Fall war. Und Reisen, der Aufenthalt in der Fremde, ist für mich eine Möglichkeit andere Menschen mit einem anderen Kulturverständnis kennenzulernen, und sie dann umso besser in meiner Heimat empfangen zu können. Das ist die Chance für uns auf dieser Erde. So empfinde ich das. Wenn es das nicht gibt, wird es weiterhin Nationalismen geben.

E.B. In Zusammenhang damit könnte man vielleicht auch noch dein Thema Fortbewegung sehen. Da verbinden sich somit mehrere Komponenten.

G.D. Ja, ich empfinde das Entfernen von der Heimat, das Mich-in-die-Fremde-begeben das Mich-dem-Unbekannten aussetzen, als eine Notwendigkeit gegen eigene Erstarrung.