Silvia Miklin-Kniefacz
Beschreibung des Objekts:
ca. 25m lange, dunkle, um zwei Ecken gehende, bogenförmige Tropfspur auf dem Teppichboden des Ganges im 3. Stock des Bundesministeriums für Unterricht und Kunst, Abteilung IV/1, Bildende Kunst, Wien
Material:
Zwei verschiedenartige Bodenbeläge sind zu unterscheiden:
(A) Schlingenteppich aus zweifärbig (grau/hellbraun) melierter Kunstfaser auf Geweberücken (Jute?) der Firma „louis de poor tere" (Belgien) nimmt den Großteil der Fläche ein.
(B) Teppichflor aus vier verschieden braunen Kunstfasern auf Weich PVC-Rücken. Durch die regelmäßige Konzentration von dunkel- und mittelbraunen Fasern im Gemisch der eierschalen-, ocker-, mittel- und dunkelbraunen Fasern ergibt sich eine streifenartige Wirkung. Der Flor nimmt ca. ein Achtel des Gesamtbelages ein, und zwar den ersten Teil vom Eingang kommend bis vor die erste Ecke. (siehe Planzeichnung)
Er wurde wahrscheinlich erst später als Teppich (A) verlegt. Die Teppichbeläge sind in Bahnen verlegt und durch einen mittels Zahnspachtel aufgetragenen Kleber auf dem Spanplattenuntergrund befestigt. An den Stoßstellen der Bahnen erfolgte keine zusätzliche Verschweißung (3 Stellen). Die Beläge wurden industriell hergestellt (2. Hälfte 20. Jhdt.).
Die dunkelgraue bis schwarze Tropfspur auf dem genannten Boden beginnt in Nähe des Einganges zu den Büroabteilungen des Ministeriums im 3. Stock, geht in einer gebogenen Linie um zwei Ecken des Ganges und endet vor einer kleinen Teeküche mit Waschbecken. Die Spur ist großteils in einer zusammenhängenden Linie, stellenweise aber doppelt geführt, mitunter auch in abgesetzten kürzeren Linien und Punkten. Teilweise sind neben den durchgehenden Linien kleinere und größere Punkte gesetzt. Der Strich ist jeweils im Zentrum dunkler und besitzt eine rundum heller auslaufende Zone von 1 cm - 2 cm.
Die Farbe zeigt gute Löslichkeit in Aceton und Spiritus, sehr gute in Feinbenzin. Auch spülmittelversetztes, warmes Wasser vermag die Farbe anzulösen, wohingegen spezielle Wachslöser keine gute Wirkung zeigen. Dies läßt auf eine ölgebundene, mit Farbteilchen wie Ruß o.ä. versetzte, Farbe schließen. Farblösungen wie Kaffee, Tee, Beize etc. sind auszuschließen. Aufgrund der hohen Eindringtiefe bis in den Spanplattenuntergrund kann man auf eine ehemals sehr niedrige Viskosität der Farbe schließen.
Technik:
Die färbende Flüssigkeit wurde vom Anfangs- bis zum Endpunkt der Spur in einem Gefäß mit kleiner Öffnung auf der Unterseite (Kübel mit Loch?) getragen, wobei infolge der Bewegung beim Gehen die Flüssigkeit aus dem offensichtlich vollgefüllten Gefäß teilweise auch oben über den Gefäßrand schwappte (Punkte).
Das Gefäß wurde dabei in der linken Hand getragen, da die Spur vor dem Eingang zur Teeküche dicht beim linken Türstock endet, sodaß links davon keine Person mehr Platz gefunden haben konnte.
Nach all dem oben Gesagten ist anzunehmen, daß warmes Putzwasser mit öligen Bestandteilen (etwa von der Reinigung geölter Holzböden) in einem kaputten Kübel vom Eingang zur Teeküche transportiert wurde.
Zustand:
- allgemein verschmutzte Oberfläche.
- starke Verschmutzung auf Teppich (B) im Bereich der Spur, da im dichteren und langhaarigeren Flor mehr von der öligen Substanz an der Oberfläche hängen blieb und sich hier Schmutzpartikel anhaften konnten.
- Noppen und Borsten durch den Gebrauch niedergedrückt.
- versprödeter Kleber.
Nach einer Notbergung liegt die „KUNST/SPUR" nunmehr in 26 fortlaufend numerierten, rechteckigen Teilen á 1m x O,7m gestapelt vor, wobei Teil 4, 5 und 23 noch in sich unterteilt sind.
Reinigen oder Erhalten?
Bei der Frage nach der Erhaltung ist zunächst zu klären, was im vor liegenden Fall die zu erhaltende Information darstellt.
Die Antwort ist eindeutig.
Der Teppich als industriell gefertigte Massenware kann zwar als Zeitdokument gesehen werden, jedoch hier wohl ohne speziell erhaltenswürdige Besonderheit, der Spur dagegen als unverkennbares Zeichen einer Aktion einerseits, andererseits als lnspirationsquelle zu Überlegungen über zeitgenössische Kunst in dem vorliegenden Projekt bzw. als Ausgangspunkt weiterer künstlerischer Aktionen muß hier Bedeutung beigemessen werden; der Teppich dient lediglich als Trägermaterial.
Insofern beantwortet sich auch die Frage „Reinigen oder Erhalten?", da ja die zu reinigende Spur allein gewissen Kunstcharakter aufweist.
Wäre ein Künstler mit Farbtopf und einem bestimmten Konzept für ein Tropfbild den gleichen Weg gegangen, wäre der Fall eindeutig - was im übrigen ja nicht auszuschließen ist, da im Bereich des Fundortes der Spur durchaus häufig Künstler verkehren.
Über die ästhetische Bedeutung der Spur wurde damit keine Aussage getroffen.
Stünde der Bodenbelag selbst, etwa aus kulturhistorischen Gründen, im Mittelpunkt des Interesses, müßte geklärt werden, ob die Spur auf dem Teppich mit seinem Gebrauch oder mit einem täglichen Benützungsritual in Zusammenhang steht oder aber durch einen ungewollten, ihn zerstörenden Vorgang (Vernachlässigung oder Unfall) entstanden ist.
Im ersten Fall wäre die Spur zu erhalten, wie zum Beispiel bei völkerkundlichen Objekten Blut-, Lebensmittel- und andere Beopferungsspuren als wichtige Informationen über den Gebrauch konserviert werden. Im zweiten Fall wäre die Spur jedoch zu entfernen, da sie die Lesbarkeit des Kunstwerks stört, vergleichbar einer schwarzen Tropfspur quer durch das Gesicht der Mona Lisa.
Über die Notwendigkeit, spätere Veränderungen eines Objekts zu erhalten oder zu entfernen, ist natürlich von Fall zu Fall zu entscheiden.
Präsentation:
Aufgrund der Entstehungsgeschichte sowie der bereits langjährigen Existenz als Bild auf horizontalem Untergrund wäre eine Präsentation in situ wünschenswert, um sowohl den Gesamtzusammenhang des Weges als auch des Ambientes verstehen zu können.
Durch die Führung des Weges um zwei Ecken war die Spur zwar nie in ihrer Gesamtheit sichtbar, konnte jedoch abgegangen werden.
Die Evakuierung des Teppichs hat diesen Gesamtzusammenhang zerstört.
Bei einer Präsentation der KUNST/SPUR muß darauf Wert gelegt werden, ihren Kontext in einer begleitenden Dokumentation wieder erfaßbar zu machen. Der Teppich sollte zumindest teilweise in Einzelstücken aufgelegt werden.