Elisabeth Büttner
Filmfestspiele und ihre ankündigende Visitenkarte, der Trailer. Eine Schere öffnet sich, die Tage voller Kinoereignisse mit einer filmischen Miniatur überkreuzt. Wie das Kino zerlegen und zusammenfassen, aus der Vielfalt seiner Bilder und Töne eine mögliche Substanz herausfiltern? A film is a girl and a gun. Diese knappe Formel, die in all den Geschichten des Kinos zu wirken versteht, schreibt Jean-Luc Godard quer über ein kurz innegehaltenes filmisches Bewegungs-Bild. Liebe und Verbrechen als Motor einer gigantischen Fabrik der Träume. Davon weiß eine Seite des Kinos erfindungsreich zu sprechen. Die Kehrseite erzählt von der Geschichte einer hundertjährigen kommerziellen Erfolgsstory.
Gustav Deutsch, der Analytik nicht mit Schwere verwechselt, läßt im Viennale-Trailer 1995 manche dieser Fährten aufblitzen. Auf einem Boulevard in Casablanca findet er verstreut 39 Fragmente eines indischen Spielfilms. Witterung, Passanten und Fahrzeuge haben an ihnen ihre Spuren hinterlassen. Deutsch wählt 21 der aufgehobenen Fragmente aus und „(re-)konstruiert" eine knapp einminütige Geschichte. „Sie besteht", wie Deutsch selbst beschreibt, „aus vier Teilen, die den vier Schauplätzen der Fundstücke entsprechen: 1 - Pferdekutsche, 2 - Swimmingpool, 3 - Tankstelle, 4 - Bar und die Themenbereiche: 1 - Liebe, 2 - Eifersucht, 3 - Verbrechen, 4 - Geschäft behandeln." Doch die Neuordnung der gefundenen Kaderstreifen ist nicht auf eine inhaltliche Montage beschränkt. Deutsch fügt Elementares ein - Farben. In unmittelbarer Abfolge leuchten zu Beginn die Farben: Orange, Türkis, Violett, Blau. Während des Films blitzt vor jeder der kleinen Erzählsequenzen einer dieser Filmkader als Schriftträger auf. Farbe erscheint hier gelöst von ihrer dramaturgischen Funktion, als reiner Affekt.
Der Maler Jackson Pollock meinte, die Emotion stecke im Material, in der Farbe selbst, woraufhin Coppola für den Film witzelt, „die Emotion steckt in der Emulsion." Das Kino ist notwendig an seine materiellen Vorausgaben gebunden. Davon erzählen im diesjährigen Viennale-Trailer nicht nur die Stakkato-Farbeinschübe. Auch die gefundenen Filmbilder führen plastisch Zelluloid vor Augen. Perforation und Lichttonspur begrenzen die seitlichen Bildränder und nehmen den Bildern dennoch nicht das Überraschende, das Fremde. Die Gestik begegnet uns grell, die Hemdkrägen ausladend, der Gesang fröhlich und voller Pathos. Die Herzen brennen vor Liebe und regen zum Diebstahl an. Eine Minute Kino der Farben, des Materials, der Emotionen, des Marktes, der kulturellen Verschränkungen. Keine Frage: Festivalzeit.