Stefan Grissemann
Gustav Deutschs „Film ist.", eine Kollektion fremder, gefundener Bilder, demonstriert die poetische Schlagkraft des Kinos.
Es gibt keine Geschichten hier, kein Drama. Oder auch, wenn man will: unzählige. In diesem Film passiert Ungeheuerliches. Räume geraten ins Schwanken und natürliche Ordnungen außer Kontrolle, Autos werden zu Schrott gefahren und die Vernichtungswirkungen diverser Geschosse studiert. Das Licht blitzt einem in die Augen, die Welt rast vorbei. Im Kino ist jedes Bild ein Schock, diese Erkenntnis führt Gustav Deutschs jüngste Arbeit, Film ist., noch einmal vor: Gegen die Strahlkraft der Bilder und der Töne bleibt der Betrachter, angewiesen auf sein träges Auge, wehrlos. Was er erkennt, ist schon Vergangenheit, denn zuerst wird gesehen, dann erst gedacht.
Film ist. ist eine Collage, gebaut aus unzähligen wissenschaftlichen Lehrfilmen, aus den Bildern eines ganzen Jahrhunderts: Die Arbeiten, die Deutsch zitiert, sind zwischen 1897 (Diskuswerfer, von Etienne Jules Marey) und 1995 (Blitz, von Gustav Deutsch) entstanden. Die seltsamen Bilder, mit denen Deutsch hantiert, sind verachtete, vergessene, denn sie entstammen einem Ghetto, dem des pädagogischen Kinos. In seiner Selektion erstattet Deutsch den Bildern ihre Erstklassigkeit zurück, indem er die Kontexte wechselt: Was im Kino keine unmittelbare Funktion, keinen Lehrwert mehr hat, hat die Chance, ins Pantheon der Kunst aufzusteigen.
Deutsch stellt die Bilder assoziativ gegeneinander, wie im Traum: Aus Pädagogik wird Poesie, aus der Ordnung des Versuchslabors das wunderbare Chaos der Kunst. In Verbindung mit zwei sehr kurzen Arbeiten Deutschs läuft Film ist. ab sofort - eine kleine Sensation für die österreichische Avantgarde - zwei Wochen lang im Wiener Filmhauskino. „Wird fortgesetzt", heißt es im Nachspann des Films, und das ist eine gute Nachricht: Das Reservoir der Filmreflexionen Deutschs, so weit diese schon getrieben scheinen, ist unerschöpflich.