Dieter Pichler
Italienische Stummfilmdiven, Verfolgungsjagden und Duelle - nur einige der Motive aus FILM IST. 7-12, einem Kaleidoskop der bewegten Bilder aus Found-Footage-Material, zusammengetragen, geordnet und montiert vom österreichischen Avantgardefilmemacher Gustav Deutsch. Sechs Kapitel bilden die Grundstruktur dieses Kompilationsfilmes: Film ist Komisch, Magie, Eroberung, Schrift und Sprache, Gefühl und Leidenschaft, Erinnerung und Dokument. Jedes dieser Kapitel besteht aus kleinen Sequenzen gefundenen Materials des frühen Kinos.
FILM IST. 7-12 erzählt keine Geschichte im herkömmlichen Sinn. Und doch ist es ein geschichtsträchtiger Film, widmet er sich doch nichts Geringerem als der Erinnerung, einem visuellen Gedächtnis und damit dem Potenzial des Kinos.
Waren die ersten sechs Tableaus aus FILM IST. 1-6 (1998) noch vorwiegend aus wissenschaftlichem Filmmaterial zusammengestellt, wendet sich Gustav Deutsch mit seiner jüngsten Arbeit nun den Ursprüngen des Films zu. Alltagsbeobachtungen, ethnografische Filme oder die krudesten Slapstickszenerien sind neben den bereits erwähnten Motiven nur einige der Beispiele, aus denen sich dieses Kompendium des Laufbildes zusammenfügt. Und doch ist es keine rein dokumentarische oder archivarische Arbeit, die Deutsch hier leistet, vielmehr ein Schürfen nach dem, was den Film einst ausmachte und zumindest in Spuren immer noch jedem Bild eingeschrieben ist.
Das frühe Kino ist seit einiger Zeit schon einer radikalen Umdeutung unterworfen: Galt es jahrelang als eine defekte, noch nicht völlig ausgebildete, unterentwickelte Form, so wurde sein Charakter mit dem Begriff „Kino der Attraktionen" neu definiert. Noch ging es dem Kino nicht um eine psychologisierende, geschlossene Erzählung, sondern um das Ausstellen, das Herzeigen, das Staunen. Die Lust am Spektakel war die herausragendste Eigenschaft dieses damals noch jungen Mediums - bevor es sich der Narration unterwarf. Der Avantgardefilm greift noch heute auf dieses Selbstverständnis der frühen Bewegungsbilder zurück, und auch das postklassische Hollywoodkino suspendiert gerne mal die Handlung zugunsten des Spektakels.
Zwischen Narration und Attraktion legt auch Deutsch sein Montage des Materials an: Einerseits steht über weite Strecken das Spektakel im Vordergrund, beispielsweise ein Durchdeklinieren der Belastbarkeit des menschlichen Körpers im Fallen oder der verschiedensten Effekte (Stopptricks, Doppelbelichtungen, Beschleunigung und Verlangsamung der Bewegungen), die den Film über seine Abbildfunktion hinausheben und einen filmischen Kosmos erst generieren. Andererseits hinausheben und einen filmischen Kosmos erst generieren. Andererseits ordnet der Film die vielfältigen Fundstücke durchaus zu kleinen Geschichten zusammen, bildet Blickachsen und scheinbar zusammenhängende Abläufe aus verschiedensten Materialquellen. Die wild wuchernden Räume, die hierbei konstruiert werden, spotten jeder Orientierung und funktionieren doch: Die wunderbare Welt des Films macht´s möglich.