GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

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GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

Isabella Reicher

Die Beziehung von Licht, Bild und Realität lotet derzeit ein Kunstprojekt von Gustav Deutsch und Hanna Schimek auf der griechischen Insel Aegina aus. Den Besuchern eröffnet sich ein klug ausgesteckter Parcours, der von ältesten Lichtspielen bis Medienkunst reicht.

Die Welt steht auf dem Kopf: Eben hat sich das Fährschiff mit dem Deck nach unten langsam ins Bild geschoben. Nun bewegen sich seine Passagiere, moonwalkartig schwebend, den Pier entlang. In zarten Farben bleibt diese irritierende, berückende Verkehrung der äußeren Wirklichkeit noch eine Weile im Raum stehen, bevor sie mit der Zeit verschwindet.

Im Hafen von Aegina, dort, wo auch die Besucher von auswärts ankommen, hat der Hamburger Künstler Edgar Lissel eine Camera obscura aufgestellt. Die (begehbare) Urform eines Fotoapparates, die hier ein unscheinbarer weißer Container beherbergt. Die Wand, auf die das Licht fällt, ist mit fluoreszierenden Farbpigmenten beschichtet. Wenn sich die Linse in regelmäßigen Abständen mechanisch schließt, dann bewahren diese die zuvor aufgenommenen Bilder von draußen wie eine Erinnerung, die langsam verblasst.

Lissels Lichtspeicher ist nicht die einzige temporäre Installation auf der griechischen Insel vor Athen, die sich derzeit mit der Beziehung zwischen Licht, Bild und Wirklichkeit auseinander setzt: Das Unternehmen Light - Image - Reality. The Aegina Academy, das noch bis 31. Mai stattfindet, geht auf eine Idee der Wiener Künstlerin Hanna Schimek und des Filmemachers (Film ist.) und Architekten Gustav Deutsch zurück. Organisiert wurde es als EU-Projekt in Kooperation mit griechischen, deutschen und niederländischen Partnern von After Image Productions.

Ausgangspunkt war die Konfrontation mit den speziellen Lichtverhältnissen vor Ort, wie auch mit der langen Tradition philosophischer Beschäftigung mit Licht und Wahrnehmung, die unter anderem in der griechischen Antike ihren Ausgang nahm.

Zugleich spielte die malerische Insel, die heute auf den ersten Blick ein wenig verschlafen wirkt, just zu jener Zeit als der Franzose Joseph Nicéphore Niepce seine ersten „Heliografien" anfertigte, eine bedeutende politische Rolle: Von 1827 bis 1829 war sie erste Hauptstadt des „Freien Griechenland" und Sitz der Regierung unter Präsident Ioannis Capodistrias. Eine kleine Ausstellung historischer Privatfotografien, die die Inselbewohner zur Verfügung gestellt haben, nimmt unter anderem darauf Bezug.

Lichtgestalten

Schimek und Deutsch haben die Generalthemen des Projekts in ihren Atlas eingebracht: Zehn große Leuchttische formieren aus Hunderten Fotos im Postkartenformat - alltägliche, künstlerische und wissenschaftliche Bilder - ein dichtes, kleines Kompendium.

In der Begehung dieser Installation erschließen sich schnell thematische Schwerpunkte, überraschende Bezüge, formale und assoziative Anknüpfungsmöglichkeiten - von mythischen Lichtgestalten bis zu irdischen Schattenwerfern, von den Lichtexperimenten der Impressionisten bis zur Fotosynthese, vom Leichentuch Christi bis zum Ultraschall- oder Wärmebild.

Die Videoinstallation von Nikos Navridis mit dem schön verrätselten Titel With no hands or When she was leaning o­n her own breath kreist dagegen um den Versuch des zweiseitigen visuellen Einfangens eines Vorgangs, der sich der Abbildung doch nur entzieht: Der Atem der Frau, die darin einen Riesenballon aufbläst, wird nur in seinen Effekten sichtbar.

Hier - wie auch in den Bearbeitungen historischer Dokumentaraufnahmen, die das Niederländische Filmmuseum kuratiert hat - tritt die Technik hinter den (konkreten) Bildern, die sie erzeugt, immer wieder zurück.

Anderswo - etwa in einer Gruppenausstellung der Medienwissenschaft Jena oder in Kyrillos Sarris' Biblioteka - stehen optische Apparaturen und Wahrnehmungsphänomene im Vordergrund. In der Sciencefiction des nybble-engine-project von Jahrmann/Moswitzer/Rakuschan wird man dagegen mit (Computer-)Bildern konfrontiert, die die Grundlagen ihrer Entstehung nur vermeintlich ausstellen.

An der südlichen Spitze von Aegina haben Deutsch und Franz Berzl einen zylindrischen Holzbau errichten lassen: Das Prinzip der Camera obscura wird darin mit dem Modell des Panoramas zusammengeführt. Durch zwölf kleine Öffnungen dringen Lichtstrahlen ins Innere und erzeugen ein bewegtes Rundbild der Umgebung. Das Kino entstand einst im Umfeld solcher optische Attraktionen. Auf Aegina wurden unter freiem Himmel, abgestimmt auf die Arbeiten und den Ort, auch Filme projiziert: in Tim Macmillans irritierender Arbeit Island hängen einzelne Wassertropfen wie ein visueller Nachhall in der Luft, während die Kamera zugleich unablässig in einer kleinen, felsigen Bucht hin- und herschwenkt.

Zeit steht auf einer Ebene still, während sie zugleich vergeht. Menschen treten auf und verschwinden. Das Wetter ändert sich, mit ihm das Licht.