GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

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GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

Das Filmmuseum widmet dem österreichischen Found-Footage-Künstler Gustav Deutsch eine Retrospektive. Sein neuer Film, „Film ist. a girl & a gun“ erzählt vom Wüten des Eros – anhand von Archivbildern.

Dominik Kamalzadeh

Ein Codewort wird eingegeben, das einen Tresor aufschnappen lässt es lautet: Eros. Blicke zwischen Männern und Frauen werden ausgetauscht, in denen ein unbestimmtes Verlangen liegt. Eine Verführunsszene bahnt sich an, ein Paar fährt Straßenbahn; später gelangt es zu einem Kino, und der Blick auf dort ausgestellte Fotos eröffnet einen neuen Raum aus einem anderen Film. Nunmehr ist es Marlene Dietrich, eine Diva das frühen Tonfilms, die uns gleichsam bei der Hand nimmt.

Die Szenenfolge stammt aus Gustav Deutschs neuer Arbeit Film ist. a girl & agun, und sie zeigt beispielhaft, auf welch assoziativen Bahnen einen dieser Film durch die mythenschwangere Welt des Begehrens führt. Wie schon in früheren Film ist.-Kapiteln wird hier „verwaistes“ historischen Filmmaterial – sowie Szenen aus manchem Spielfilm – in neue Zusammmenhänge übertragen. Wobei Deutsch diesmal gleich eine Schöpfungsgeschichte entwirft: In fünf Akten bahnt sich ein bildmächtiges Drama an, das vom Ursprung der Welt zu Zerstörung führt. Sexualität und Gewalt bilden die entscheidenden Triebkräfte.

„Die Konfrontation der Geschlechter, Pornografie und Gewalt erforderten von mir als Filmemacher eine Stellungnahme“, erläutert Deutsch im STANDARD-Interview seinen Ansatz. „Ich musste über das sezierend-analytische Verfahren der früheren Arbeiten hinausgehen. Wenn man das Thema Eros nur analytisch angeht, kommt es zu keinem Knistern im Kino, die Spannung würde verlorengehen.“

Tatsächlich betritt Deutsch mit A gin & a gun neuerlich ästhetisches Neuland. Stand bisher ein archäologischer Blick im Zentrum, der eine Vielfalt von Bildtypen auf ihre gemeinsame Wirkkraft überprüfte – etwa Urlaubsaufnahmen in der Found-Footage-Collage Adria –‚ richtet er nun das gefundene Material nach einer umfassenderen Mythologie aus, die von Texten von Hesiod, Plato und vor allem Sappho inspiriert ist. Erstmals habe Deutsch dabei auch nach einem Skript gearbeitet:
„Die griechische Dramenform hat sich aus dem Material ergeben. Ich benötigte diesmal einen historischen, philosophischen Hintergrund. Und weil ich schwerpunkt mäßig in europäischen Archiven arbeite, hab ich mich dazu ent schlossen, die Wurzel der europä ischen Philosophie zu nehmen. Hätte ich in Tokio recherchiert, hätte das anders ausgesehen.“

Analogien und Kontraste

Das stupende Moment in den Arbeiten des auch international gefeierten österreichischen Filmemachers liegt in den Analogien, den Anschlüssen und Kontrastmontagen der historischen Bilder – immer im Dialog mit der Musik (siehe nebenstehenden Artikel). In Welt Spiegel Kino zoomt sich Deutsch an anonyme Gesichter in der Menge heran, um sich deren Geschichte zu imaginieren. In A girl & a gun formen Bilder brennender Ballone mit der Großaufnahme eines Sexualakts ein Band aus Aggression und Verletzlichkeit. „Wie das Material kombiniert wird, ist von großen Zufallen abhängig“, erläutert Deutsch. „Ich weiß am Anfang nicht, wonach ich suche.“

Um innerhalb der Szenen zu wechseln, sich maulwurfsartig durch den Bilderfundus zu graben, hat er seine eigenen Methoden entwickelt. „Ich nenne die Ausgänge „gateways“: etwa Türen, durch die ich in einen anderen Film gelange. Wenn die Handlungsabfolge stimmt, glaubt man‘s. Manche sind immateriell – jemand, der einnickt, träumt.“ Ein wenig gleicht das einem surrealistischen Spiel – hinter jedem Bild steckt ein weiteres: mit endlos vielen Möglichkeiten.

Retrospektive bis 26.2.; dazu erschien das Buch „Gustav Deutsch“, hg. v. Wilbirg Brainin-Donnenberg und Michael Loebenstein (Filmmuseum-Synema).