Sebastian Klausner
Nachdem der berühmte österreichische Filmemacher Gustav Deutsch, dem zu Ehren das Filmmuseum zurzeit eine kleine Retrospektive hält, in den beiden ersten Teilen die ursprünglichen Wurzeln bzw. Mechanismen der Narration zu erforschen versuchte, schlägt der unkonventioneller Erzähler nun ein wesentlich mysteriöseres Kapitel auf. FILM IST. a girl & a gun.
Der auch international bekannte Filmarchäologe bewies schon in seinen beiden ersten Werken von FILM IST. welch imposante Bildgestaltung er über das Found Footage-Genre auf die Leinwand zaubern könne. Für sein neuestes Werk packte der Filmer das Sujet per se erneut an den essentiellsten Konstrukten. Der Filmemacher grub tief, um dem großen Themenkomplex jener Kunstform auf den Grund zu gehen. Dort entdeckt er die berüchtigte, von Godard wieder entdeckte, Definition des weltberühmten amerikanischen Filmemachers David Griffith: Die elementarsten Eigenschaften einer jeden filmischen Geschichte sind Gewalt und Sexualität. Die Motorik der ganzen Filmwelt geht auf diese beiden Prinzipien zurück. Gustav Deutsch nahm sich jenen Gedanken her und machte aus den abertausenden Kilometern Zelluloid, welche sich zwischen den Anfängen in 1895 und der Filmproduktion der späten 30er Jahre zusammengesammelt hat, eine archäologische Fundstätte der Geschichte(n). So begrüßt den Zuschauer ganz lapidar eine junge Dame mit Gewehr aus einen der frühen Filme aus Edisons Black Mary. Dies ist eine der grundlegenden Faszinationen, mit denen Deutsch keck aufkommt. Er entreißt diesen - filmisch gesprochen - steinzeitlichen Bildern ihre mythologische Aura, um sie für sich neu zu erschließen. Statt jener ehrwürdigen Distanz, die man vor solch einem antiquitierten „Museumsobjekt“ einnehmen müsse, kann sich das Publikum völlig von dieser mysteriösen Erscheinung, in ihren Bann ziehen lassen.
Das neuste Kapitel von FILM IST. mit der mystischen Nummer 13 wurde dieses Mal in einzelne Akte unterteilt. Fünf von ihnen verzaubern, mit antiken Zwischentexten, die Zuschauerschaft von FILM IST. a girl & a gun. Die Filme in letzten Jahren versuchen mit handwerklich immer perfekteren dreidimensionalen Effekten ihr Publikum gewaltsam in ihre Welt zu verschleppen. Eine Entwicklung, die manchmal berührt, aber oft völlig kalt lässt. Doch Gustav Deutsch zeigt hier den richtigen Weg. Nicht die noch ausgefeilschteren Gerätschaften, sondern die andere Richtung müsse man einschlagen. Die „schlichte“ Verbindung zwischen jenen wunderschönen Bildsprachen mit dem „Dialekt“ einer pornografischen Darbietung in harmonischen Rhythmen zusammengefasst scheint die ursprünglichste und sogleich auch intensivste Ausdruckskraft zu sein. Wenn die skurrilen, manchmal grotesken Töne mit der opulenten Bilgewalt verschmelzen, ist der Zuschauer schon längst verloren. Wie eine verführerische Hand kommt jenes audiovisuelles Hybrid von der Leinwand, liebkost unsere Sinne und zieht den Geist in ihr Universum. Stummes Staunen erfüllt den Saal.
Fazit:
Jegliche Punktevergabe ist hier eigentlich völlig sinnfrei. Gustav Deutsch kreiert mit seiner FILM IST.-Reihe Sequenzen, die den gewöhnlichen Mainstreamschauer wahrscheinlich überfahren würden. Szenen, die von ihnen als langweilige Aneinanderreihung betrachtet werden würden, und diese so, nach kürzester Zeit, die heiligen Hallen des Filmes verlassen würden. Aber jene, die schon zuvor von dieser bombastischen Bilderwelt ergriffen und verschlungen wurden, werden und dürfen auch nicht eine Sekunde lang zögern, ihre Sinne erneut von dem Zauberer dieser Welt verführen zu lassen !