GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

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GUSTAV DEUTSCH

Bibliografie thematisch

Stefan Grissemann

Seit 1980 arbeitet Gustav Deutsch, Bildsuchläufer an der schmalen Grenzlinie zwischen Avantgarde und Dokumentarismus, an einer Formulierung der visuellen Grundlagen zur Grammatik des Kinos. Neben unzähligen Produktionen in Super 8 und Normal 8 und speziellen Film-Events beschäftigt er sich auch in seinen beachtlichen größeren Projekten mit der Frage nach den Vorurteilen des Blicks: In Augenzeugen der Fremde (1993), einem streng konzipierten Filmexperiment aus genau 600 thematisch geordneten Einstellungen zu je drei Sekunden, geht es um den europäischen Blick auf Nordafrika, der in den dazugeschalteten Wien-Bildern eines Afrikaners relativiert wird. Das Fremde sehen.

Um das naive Hinschauen, das gegebenenfalls mehr sichtbar machen kann als das raffinierte Filmemachen, geht es auch in Deutschs wissenschaftlich-erheiternder Urlaubsfilmanalyse Adria (1990). Das Heimkino als zusätzliche Festplatte für das eigene Gehirn, in der sich das während einer Reise Gesehene speichern läßt und als Trophäe heimgebracht werden kann: Deutsch geht dem nach, was der anonyme Reisende als erinnernswert ansieht, und stellt erstaunliche Regularitäten, optische Wiederholungstaten im Umgang mit Architektur, Familie und Freizeit fest; Adria: ein reiner Found-Footage-Film, der - in charakteristischer Systematik - nach Kamerabewegungen geordnet ist.

Die Filme Gustav Deutschs leben von der Konfrontation extremer Objektivität (Drehungen, Panoramabilder gegen die Limits des Bildausschnitts, Transparenz der Methoden) mit der unvermeidbaren Subjektivität des Kameraauges, das jeder Sachlichkeit zum Trotz stets unsachlich, oberflächlich operiert. Deutschs Filme, vor allem auch seine Kurzfilme, fangen bei Null an, gehen an das Elementare des Kinos zurück, zu den touristischen Fingerübungen, zur Selbstbeobachtung, zu den bewußtlosen Inszenierungen des Augenblicks. Seine Filme setzen wenig voraus, nur den urteilsfreien Blick für die schöne alte Welt des Zufalls - und Geduld mit mikroskopischen Erzählungen (von den Orten, dem Licht, den Gesichtern, den Posen, dem Vergangenen): von gefundenen, privaten Familienfilmen bis hin zu selbst photographierten Beobachtungen bestimmter routinierter Bewegungsabläufe (Essen/Schlafen/Gehen/Drehen). Gustav Deutsch: ein Archäologe des Kinos, ein Analytiker der Choreographie des Banalen, ein Aufzeichner der komplexen Tanzschritte des Alltags.