so leben wir
botschaften an die familie
Alejandro Bachmann
„Stellen Sie sich vor, wir sitzen zuhause, die Leinwand ist aufgestellt, der Projektor aufgebaut und wir schauen gemeinsam Familienfilme“, suggeriert die ruhige Stimme des Filmemachers Gustav Deutsch selbst zu Beginn von so leben wir. In eben dieser Ruhe unternimmt der Film entlang von Amateuraufnahmen aus Archiven in Österreich, Italien, Holland und England zusammengetragen, eine Wanderung: Geographisch — von Boston nach Italien, den USA ins Burgenland, oder Maryland nach Griechenland, zwischen Wien, Sydney und der Schweiz. Medienarchäologisch — von frühen schwarzweiß-Aufnahmen, zu ersten Farb-Home Movies über Video zu digitalen Handybildern und Skype, Technologien, die der Film allesamt als Form des Briefeschreibens denkt. Die Familienaufnahmen, die den Film strukturieren sind Postkarten in Bewegung, die von verschiedenen Leben und Lebenswegen des 20. Jahrhunderts erzählen, aber auch vom Medium Film als Werkzeug des Alltags, dessen Funktion das Überbrücken von Distanzen ist, das eine Gemeinschaft der „Family of Man“ ermöglichen soll, wo Biographien mehr und mehr von Migrationsbewegungen gekennzeichnet sind.
Wo Deutsch in Film ist. (1-6) noch mit äußerster poetischer Genauigkeit eine alternative Geschichte des Films im Stile eines Bildatlasses der Gebrauchsfilme verfasst hat, unternimmt so leben wir etwas Vergleichbares anhand der Ephemera privatester Filmpraktiken. Dass sich dieser Film so ganz und gar anders anfühlt, liegt am Gestus seines Nachdenkens, der seinem Gegenstand entspricht – wie lässig zurückgelehnt fühlt sich diese Reise an, man kann sie entspannt und im Vertrauen an den Erzähler genießen, dabei einfach dem Leben der anderen beim Sich-entfalten in der Zeit zusehen und dennoch in jedem Moment Bezüge und Analysen darin versteckt finden, deren Tiefe jedoch nicht oberflächlich ausgestellt, sondern zwischen den Bildern – ihrem Zueinander – sich kundtut. Das von Deutsch zusammengetragene Material wird wiederkehrend von einer Reise des Marokkaners Mostafa Tabbou, von seinem neuen Zuhause in Holland nach Marokko durchzogen, der auch Gustav Deutsch und seine Frau Hanna Schimek beiwohnen und die ihrerseits zum Home Movie wird. So erzeugt der Film Gemeinschaft nicht bloß unter unterschiedlichen Menschen aus unterschiedlichen Orten, sondern auch ein Miteinander außerhalb der Zeit, lässt Generationen von Filmenden zueinander, und – über das Medium der Kinoleinwand – zu uns sprechen.
so leben wir
botschaften an die familie
AT 2017, DCP (25fps; shooting format: film and video archiv material, smartphone), 2k Flat 1998x1080, 5.1, b/w & color, 107 min
Regie, Buch, Schnitt:
Gustav Deutsch
Kamera:
Gustav Deutsch, Mostafa Tabbou
Original Musik:
Christian Fennesz
Tongestaltung:
Johannes Schmelzer-Ziringer
Produktion:
KGP Kranzelbinder Gabriele Production
Produzentin:
Gabriele Kranzelbinder
In Zusammenarbeit mit:
Austrian Film Museum, Centre of South Asian Studies/ University of Cambridge,
EYE Film Museum, Film Archive Austria, Home Movies – Archivio Nazionale del Film di Famiglia, North West Film Archive at Manchester Metropolitan University
Gefördert von:
Bundeskanzleramt Kunst und Kultur, ORF Film/Fernseh-Abkommen, Land Niederösterreich, Kulturabteilung der Stadt Wien – MA7
Vertrieb, Verkauf:
sixpackfilm