GUSTAV DEUTSCH

FILME & VIDEOS

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GUSTAV DEUTSCH

FILME & VIDEOS

Film ist. 1-6

1 Bewegung und Zeit
2 Licht und Dunkelheit
3 Ein Instrument
4 Material
5 Ein Augenblick
6 Ein Spiegel

Tableaufilm zur Phänomenologie des Mediums Film. Die ersten sechs Kapitel sind dem wissenschaftlichen Labor als Geburtsstätte des Films gewidmet.

1
Bewegung und Zeit
Die Brüder Lumiere nannten ihre im Jahre 1895 gemachte Erfindung „Bewegungsschreiber", eine Maschine „zur Wiedergabe von wirklichem Leben" Eine Aussage wider besseren Wissens könnte man sagen, da sie - als geniale Konstrukteure dieser „last machine" wie der amerikanische Filmkünstler Hollis Frampton einmal das Kino nannte - besser als jemand sonst über die große Illusion Bescheid wissen mußten, die sie durch die Aufzeichnung und Wiedergabe von Bewegung durch serielle Standbilder, und durch die zweidimensionale schwarz-weiß Abbildung von „wirklichem Leben" erzeugten. Nichts auf der Leinwand eines Kinos ist wirklich „Bewegung" und nichts ist „das wirkliche Leben". Und das ist nicht die Schwäche, sondern die Stärke und Größe des Films: ein Medium zur Erzeugung filmischer Bewegung, Zeit und Realität.
2
Licht und Dunkelheit
„Sie möchten wissen ... welcher Kerl das Kino erfunden hat? Tatsache ist - es war kein Kerl. Es war ein Mädchen - ein Mädchen aus längst vergangener Zeit. ‘Ein Mädchen aus längst vergangener Zeit nahm eine Hand voll glühender Asche und warf sie in den Himmel; und die Funken wurden Sterne' ". Mit diesem Mythos der Buschmänner beginnt der polnische Filmkünstler Stefan Themerson sein Buch ‘The Urge to create Visions'. Der Lauf der Gestirne, die Phasen des Mondes, Sonnen- und Mondfinsternis, Gewitter,- Lichtbilder im Projektionsraum Himmel, als immer wiederkehrende Inspirationsgeber für die Mythen der Völker dieser Erde, als stetige Protagonisten des Weltkinos. Achtundvierzig Mal in der Sekunde wird es auf den Leinwänden unserer heutigen Kinos hell und wieder dunkel. In diesem Rythmus unterbricht die Flügelblende des Projektors das Licht der Projektionslampe, und erzeugt im Zusammenspiel mit dem vorgeschaltenen Film ein kinematographisches Blitzlichtgewitter für unsere Sinne.
3
Ein Instrument
„Wie auch immer - meine Arbeit ging in Richtung wissenschaftlicher Forschung. Ich habe mich nie mit dem was ‘Produktion' genannt wird beschäftigt" sagte Luis Lumier in seinem letzten Interview. Auch andere Pioniere des Films, wie Georges Démeny und Etienne-Jules Marey, benutzten ihre Erfindungen vor allem als Instrumente für ihre wissenschaftliche Forschungsarbeit. Ausgehend von den dabei entstandenen ersten chronophotographischen Serien, haben nachfolgende Wissenschaftler unseres Jahrhunderts unter Ausnützung aller kinematographischen Möglichkeiten, und unter Einbeziehung von anderen, parallell zum Film entwickelten bildgebenden Verfahren, wie zum Beispiel der Röntgentechnik, den Film als Instrument zur Erforschung der Welt benutzt. Die dabei entstandenen Filmbilder haben nicht nur unsere Wahrnehmung der Welt verändert, sondern auch unsere Vorstellung vom Leben und vom Tod.
4
Material
„Diesen Film hat meine Putzfrau verwendet, um die Bodenfliesen aufzuwaschen" sagte der Verkäufer auf einem Flohmarkt in Sao Paolo, als er mir eine kleine Rolle Film überreicht, eine Arbeitskopie für die Lichtbestimmung eines Spielfilms, die aus jeweils zwei Kadern aus jeder Szene bestand. Das Putzmittel hatte der Emulsion des Film gehörig zugesetzt. Der Maler Jackson Pollock meinte, die Emotion stecke im Material, in der Farbe selbst, worauf Francis Ford Coppola für den Film witzelt: „die Emotion steckt in der Emulsion"
„Ich habe eine optische Einstellung zur Welt. Dinge die man nicht sieht, waren für mich schon immer schwer durchschaubar" meinte der Erfinder des ersten funktionstüchtigen Rechencomputers, Konrad Zuse. Zur Steuerung seiner im Jahr 1936 entwickelten Maschine verwendete er ausrangierte 35mm Kino-Filme, in die er seine Code-Löcher stanzte. Zuses Film nimmt durch die Überlagerung eines ikonischen Codes mit einem binären, jenen Prozess vorweg, der heute durch das Zusammenfließen aller Medien, einschließlich Film, im digitalen Code stattfindet.
5
Ein Augenblick
„Einen Defekt des menschlichen Auges" nannte Ingmar Bergmann einmal jenes Phänomen, durch das bei der filmischen Wahrnehmung die Illusion einer kontinuierlichen Bewegung erzeugt wird, obwohl nur eine Serie von einzelnen Standbildern projeziert wird. Dieses Phänomen, von Gestalt Psychologen als Phi-Phänomen oder Nachbildwirkung bezeichnet, speichert die Bilder im Gehirn länger als sie erscheinen, und läßt sie bei schneller Projektion zu einer scheinbaren Einheit verschmelzen. „Kino war von Anfang an Manipulation der Sehneven und ihrer Zeit" schreibt dazu der Medientheoretiker Friedrich Kittler. Das menschliche Auge und seine Funktionsweise - eine Camera Obscura zur Wahrnehmung filmischer Realität. „Die Kinobesucher reagieren auf die Leinwand wie auf eine mit dem Gehirn fernverbundene, nach außen gestülpte Netzhaut" (Edgar Morin)
6
Ein Spiegel
„Das filmische Bild, ...ist was es ist, nämlich Film und weder ein sich selbst verleugnender Spiegel, noch ein von sich selbst absehendes Medium. Es ist die Vergegenständlichung... der Funktion eines Spiegels und dieser bei sich selbst: Verkörperung der Reflexion, das heißt eines Sehens, das zurücksieht" schreibt Michael Kötz zu jener Doppelfunktion des Mediums, die der Cinematograph der Lumiers in sich selbst vereinte, als Kamera und zugleich als Projektor. „Verfilmungen zerstückeln das imaginäre Körperbild, das Menschen (im Unterschied zu Tieren) mit einem geborgten Ich ausstaffiert hat und deshalb ihre große Liebe bleibt. Gerade weil die Kamera als perfekter Spiegel arbeitet, liquidiert sie, was im psychischen Apparat...an Selbstbildnissen gespeichert war" schreibt Friedrich Kittler über jene Erfahrung die nicht nur Schauspieler Angesichts ihrer filmisch „zerstückelten" Doppelgänger am eigenen Leib erfahren.

Alexander Horwath, "Blitz (Energie-Umwandlung beim modernen Kinematographen), in: Film ist.1-6, Begleitheft, 1998
Claus Philipp, "Spielformen eines Sammlers", in: Der Standard, 22.10.1998
Stefan Grissemann, "Das wunderbare Chaos: Was das Kino-Auge sieht", in: Die Presse, 8.11.1998
Bernhard Sallmann, "Diagonale", in: Filmforum / Berlin, Heft Nr.17, Mai/Juni 1999

Buch, Regie, Schnitt
Gustav Deutsch

Recherche
Gustav Deutsch

Ton
Gustav Deutsch
Dietmar Schipek

Trick
Blow Up Filmtechnik
Synchro Trick

Produktion
loop media

Produzent
Manfred Neuwirth

Förderung
Bundeskanzleramt
Sektion für Kulturangelegenheiten
Land Niederösterreich
Abteilung Kultur und Wissenschaft

Vertrieb / Verleih
SIXPACKFILM
Lightcone
Canyon Cinema